Vergebliche Anstellungsprojekte und -offerten
Abgesehen von den erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen um die Engagements Webers als Musikdirektor in Breslau (1804), Opern- und Musikdirektor in Prag (1812/13)T sowie Hofkapellmeister in Dresden (1816/17) finden sich in Webers Tagebuchnotizen und Briefen etliche Hinweise auf weitere, oftmals nur kurzfristig erwogene Anstellungshoffnungen bzw. Engagementsofferten. Die meisten entsprechenden Hinweise finden sich in Webers Reisejahren (1810 bis 1813), aber auch noch während seiner Festanstellungen in Prag und Dresden gab es “Abwerbeversuche”, auf die Weber mit unterschiedlichem Interesse reagierte. Keinem der Projekte war Erfolg beschieden; trotzdem sind sie interessante Belege dafür, wie groß Webers Reputation als musikalischer Leiter bei seinen Zeitgenossen war, es lohnt daher, sie nachfolgend in einem Überblick zusammenzufassen, der die einzelnen dokumentarischen Belege bündelt.
Mannheim 1805
Im Mai 1804 hatte Weber einen Zweijahresvertrag als Musikdirektor in Breslau abgeschlossen, den er nachfolgend nicht verlängerte. Wann seine Entscheidung fiel, seinen Breslauer Posten wieder zu verlassen, ist unbekannt; möglicherweise könnte ein Brief von Webers Vater Franz Anton an den Mannheimer Intendanten F. A. von Venningen vom 2. August 1805 mit entsprechenden Überlegungen in Verbindung stehen; in diesem Gesuch brachte Vater Weber seinen Sohn als möglichen Operndirektor am Mannheimer Nationaltheater ins Gespräch. Am 18. August erging ein abschlägiger Bescheid an Franz Anton von Weber.
Mannheim 1810
Ein erster Hinweis, dass Weber sich nach seiner Ausweisung aus Württemberg Hoffnungen auf ein dauerhaftes Engagement im badischen Mannheim machte, findet sich in seinem Brief an den Namensvetter Gottfried Weber vom 12. Oktober 1810, in dem er anfragte, ob nicht “jezt etwas bey der Prinzeß zu machen wäre”; gemeint ist die badische Kurprinzessin Stéphanie. Am 17. November, nach einer Abendgesellschaft beim Grafen Christian von Bentzel-Sternau am Vortag, notierte Weber im Tagebuch, er habe die Gräfin Bentzel-Sternau “gesprochen wegen Anstellung”. Diese Abstimmung galt vermutlich Webers Konzert im Museum Karl Stephanie am 19. November, wo er auf Prinzessin Stéphanie treffen und sein erhofftes Engagement zur Sprache kommen sollte. Die Prinzessin zeigte sich von Webers musikalischen Darbietungen begeistert und ließ ihn durch ihren Kammerherrn von Berstett fragen, “unter welchen Bedingungen [er] hier bleiben wollte” (Tagebuch). Laut Webers Brief an J. Gänsbacher vom 7. Dezember war sogar schon die Besoldung im Gespräch: “1000 ƒ und Quartier und Holz”. Unverzüglich wurde der Mannheimer Theaterintendant F. A. von Venningen beauftragt, die Möglichkeiten eines Engagements zu prüfen, seine Stellungnahme vom 26. November fiel allerdings negativ aus: Für Weber müsse eine neue Planstelle geschaffen werden, während die Mehrzahl der Orchestermusiker schlecht oder gar nicht besoldet sei. Er riet von der Anstellung ab. Die Weitergabe der schlechten Nachricht (“ihre Cassa erlaubte jezt nicht mich zu engagiren”) überließ die Prinzessin laut Webers Brief an J. Gänsbacher vom 7. Dezember ihrer Oberhofmeisterin A. von Walsh. Ob der Vorschlag des Grafen Bentzel-Sternau vom 10. Dezember, sich nun nach Karlsruhe zu wenden, den Weber tags darauf als “Entschluß” aufgriff (vgl. Tagebuch), lediglich auf das dort zu veranstaltende Konzert Webers gerichtet war oder einen weiteren Vorstoß bezüglich einer Anstellung in Baden (in Karlsruhe oder Mannheim) bezweckte, bleibt ungewiss; laut Brief an J. Gänsbacher vom 13. Januar 1811 brachte die Gräfin Bentzel-Sternau Karlsruhe ins Gespräch, weil sich dort gerade die bayerische Königin Karoline, Tochter der badischen Markgräfin Amalie, zu Gast bei ihrer Mutter aufhielt. Weber verdächtigte übrigens den Mannheimer Kapellmeister Peter Ritter, sein Engagement in Mannheim hintertrieben zu haben, wie er seinen Vater Franz Anton im Brief vom 15. September 1811 wissen ließ. Belege dafür sind nicht bekannt, es ist allerdings auffallend, dass sich die Mannheimer Orchestermusiker nach Webers Rückkehr aus Karlsruhe weigerten, ihn nochmals bei einem Konzert zu unterstützen (vgl. die Tagebucheintragungen vom 27./28. Dezember 1810). Auch in diesem Zusammenhang sah Weber “Kabalen des H: Ritters”, wie es im Brief an J. Gänsbacher vom 13. Januar 1811 heißt. Ungeachtet der Ablehnung blieb die Hoffnung auf eine Anstellung in Mannheim, auch befördert durch den großen Freundeskreis dort, noch länger bestehen, wie entsprechende Äußerungen Webers in Briefen an G. Weber vom 22. März und 19. Juli 1811 bestätigen.
Darmstadt 1811
Am 7. Februar 1811 in Darmstadt vermerkte Weber in seinem Tagebuch: August Konrad Hofmann “sagte man wolle mich anstellen, ich glaube es nicht, es wird gehen wie in Mannheim.” Dem Hofkammerrat Hofmann könnten tatsächlich entsprechende interne Informationen zu Ohren gekommen sein, allerdings sollte sich Webers Einschätzung bewahrheiten: Eine Anstellung in Darmstadt kam nicht zustande. Fünf Tage zuvor hatte Weber vom Großherzog Ludewig und Großherzogin Luise für zwei dedizierte Werke eine großzügige finanzielle Zuwendung erhalten; ob ein Zusammenhang mit den behaupteten Engagementsüberlegungen besteht, bleibt ungewiss.
Würzburg 1811
Während seines Besuchs in Würzburg im Februar/März 1811 verkehrte Weber u. a. im Haus des Staatssekretärs F. L. von Hartmann, der den Musiker bereits aus Salzburger Zeiten kannte. In der abendlichen Gesellschaft bei Hartmann am 27. Februar wurde laut Tagebuch allgemein bedauert, dass Weber “nicht länger bliebe”, und F. J. Fröhlich informierte Weber, dass Hartmann sich in dessen Angelegenheit an den Großherzog wenden wolle. Laut Tagebuch wurde am folgenden Abend die Fürstin Thurn und Taxis als weitere Fürsprecherin gewonnen, doch ein direktes Zusammentreffen mit dem Großherzog kam nicht zustande. Hartmann betonte am 1. März aber nochmals, er versuche es “durchaus dahin [zu] bringen”, Weber in Würzburg “angestellt zu sehen”. Im Brief an seinen Freund Gottfried Weber vom 10. März berichtete Weber von der Offerte; Hinweise bezüglich weiterer Bemühungen sind nicht bekannt.
Wiesbaden 1811
Zu Webers Bemühungen um eine Anstellung als Musikdirektor am neu zu gründenden Hoftheater in Wiesbaden im Juli 1811, die bald schon im Sande verliefen, vgl. den Themenkommentar zum dortigen MusikdirektorenpostenT.
München 1811
Vor seiner Abreise aus München in die Schweiz fuhr Weber laut Tagebuch am 6. August 1811 nach Nymphenburg, um dem Königspaar seine Aufwartung zu machen. Dabei machte Königin Karoline dem jungen Musiker “Hoffnung in Ihre Dienste vielleicht treten zu können”, wie Weber am 16. August an seinen Freund Gottfried Weber schrieb. Diese vage Andeutung blieb ohne Konsequenzen und wurde von Weber im selben Brief mit der Bemerkung quittiert: “nun ja – aber ich suche nichts”, möglicherweise da zu diesem Zeitpunkt noch die Unterhandlungen mit WiesbadenT liefen.
Gotha 1812
Bereits während Webers erstem kürzeren Gotha-Besuch des Jahres 1812 im Januar entstand ein sehr vertrautes Verhältnis zum Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg; im Brief an J. Gänsbacher vom 28. Januar schrieb Weber: “der Herzog hat Große Lust mich zum Direktor eines zu errichtenden Theaters zu machen”. Tatsächlich war 1811 in Gotha ein Theaterneubau im Gespräch1, doch wie viele andere der hochfliegenden Pläne des kunstsinnigen Souveräns scheiterte auch der an den finanziellen Rahmenbedingungen. Die gemeinsamen künstlerischen Interessen führten während des zweiten, längeren Aufenthalts Webers in Gotha im Sommer und Herbst 1812 zu einer weiteren Vertiefung der Vertrauensbasis, und so liebäugelte der Herzog weiter mit dem Gedanken, Weber bei sich zu behalten, wie aus dessen Brief an F. Rochlitz vom 12. September hervorgeht. Immerhin war in Gotha seit dem Tod von Anton Schweitzer (1787) der Hofkapellmeisterposten vakant; die Leitung der Kapelle oblag vertretungsweise zwei Konzertmeistern (L. Spohr und J. Chr. Reinhardt). Aus fiskalischen Gesichtspunkten war allerdings die Finanzierung einer zusätzlichen Leitungsposition nicht zu rechtfertigen. Zwar erwähnt Weber noch im Brief an H. Lichtenstein vom 1. November 1812, der Herzog habe “nicht übel Lust”, ihn “bey sich zu behalten”, doch Weber war sich sicherlich im klaren darüber, dass die Wünsche des Herzogs weit entfernt von realistischen Möglichkeiten waren.
Dresden 1812
Am 13. Februar 1812 hielt Weber in seinem Tagebuch die “Neue Idee” fest, ihn “zu engagiren als KapellMstr:”. Mit der “Neue[n] Idee” spielte er auf die vorherigen Hoffnungen auf Engagements in Mannheim, Würzburg und Wiesbaden, vielleicht auch in Gotha an. Jene “Dresdner Geschichte”, die Weber im Brief an F. Rochlitz in Zusammenhang mit den Gothaer Engagementsplänen erwähnte, ist wohl mit der Dresdner Anstellungs-Idee in Verbindung zu bringen (möglicherweise sollte Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg in Sachsen als Fürsprecher Webers fungieren). Letztmals sprach Weber im Brief an H. Lichtenstein vom 1. November 1812 davon, er könne “auch in Dresden […] vielleicht eine Anstellung haben”, danach scheint diese Option vorerst (bis zu den 1816 beginnenden neuen Verhandlungen über eine Dresdner Kapellmeister-Position) nicht weiter verfolgt worden zu sein.
Königsberg 1814
Seit 1813 lebte A. von Kotzebue als russischer Staatsrat und Generalkonsul in Königsberg und hatte ab Oktober 1814 dort die Theaterleitung übernommen (bis 1. Oktober 1815). Er suchte (in der Nachfolge des nur kurzzeitig, ab 1813 in Königsberg tätigen Musikdirektors Möser) nach einem neuen musikalischen Leiter und wandte sich mit einem entsprechenden Antrag an Weber. Der berichtete davon seinem Freund H. Lichtenstein im Brief vom 21.[/22.] November 1814; demnach bedankte sich Weber für das “schmeichelhaft[e]” Angebot, schickte aber eine Absage. Aufgrund des Verlusts großer Teile von Webers Tagebuchnotizen aus dem Jahr 1814 existieren keine zusätzlichen Belege für diese Offerte. 1815 übernahm H. A. Präger die Musikdirektoren-Stelle in Königsberg.
Berlin 1814 bis 1821
Am längsten währten die Bemühungen von Carl von Brühl, Weber als musikalischen Leiter an die Königlichen Schauspiele in Berlin zu verpflichten; zu den diesbezüglichen Verhandlungen zwischen Herbst 1814 und 1821 vgl. den selbständigen ThemenkommentarT.
Leipzig 1816
Anlässlich seines Besuchs bei F. Rochlitz in Connewitz am 11. Juli 1816 hielt Weber im Tagebuch fest, Rochlitz habe ihm einen “Antrag wegen Leipzig mit 1500 rh:” offeriert; im Brief an J. Gänsbacher vom 4. August bestätigte er, dass es sich dabei um ein Angebot handelte, in Leipzig “die deutsche Oper zu übernehmen künftiges Jahr mit 1500 rh: Gehalt” (vgl. auch den Brief an G. Weber vom 17. September). Im Brief an Rochlitz vom 22. November fragte Weber – in Zusammenhang mit der Dresdner Engagements-Offerte –, wie es inzwischen um die Leipziger “Theater Angelegenheiten” stünde, der Brief von Rochlitz, den Weber am 27. November erhielt, brachte aber schließlich die Gewissheit, dass sich die diesbezüglichen Hoffnungen zerschlagen hatten, wie Weber unverzüglich seiner Verlobten Caroline Brandt mitteilte. In Leipzig hatte man sich für die Anstellung F. Schneiders als Musikdirektor entschieden, was Weber in seinem Brief an Rochlitz vom 28. Dezember 1816 beifällig quittierte, zumal er selbst gerade (am 25. Dezember) die Zusage für seine (lukrativere) Anstellung in Dresden erhalten hatte.
Weimar 1818/19
Als durch den Tod A. E. Müllers der Posten des Hofkapellmeisters in Weimar vakant wurde, soll neben P. J. Lindpaintner, der sich persönlich bewarb, und J. N. Hummel angeblich auch Weber zu den Anwerbern im Auswahlverfahren gehört haben2. Dokumente zur Untermauerung dieser Behauptung konnten bislang nicht ermittelt werden. Dass Weber von sich aus aktiv die Stelle anstrebte, ist kaum glaubhaft; vielleicht wurde er von Dritten ins Gespräch gebracht. Am 23. Februar 1819 trat Hummel das Amt des Großherzoglichen Kapellmeisters an.
Kassel 1821
Im Sommer 1821 erreichte Weber das Angebot, im Rahmen der Neuorganisation des Kasseler Hoftheaters den Posten des Hofkapellmeisters zu übernehmen. Weber nutzte die Offerte, um seine Anstellungskonditionen in Dresden neu zu verhandeln; vgl. dazu den selbständigen ThemenkommentarT.
Wien 1821
Im November 1821 meldete die Wiener Theaterzeitung in Zusammenhang mit der Erteilung des neuen Opernauftrags (Euryanthe), Weber hätte “einen glänzenden Engagements-Antrag von der neuen Administration erhalten”. Ob diese Mitteilung auf einem Missverständnis beruhte, die den Auftrag zur Komposition (und Aufführung) einer Oper falsch interpretierte, oder D. Barbaja tatsächlich Interesse bekundet hatte, den Erfolgskomponisten des Freischütz längerfristig an Wien zu binden, bleibt unklar. Webers Originalzeugnisse enthalten dazu keinen eindeutigen Beleg, nur einmal scherzte er im Brief an seine Frau vom 1./2. März 1822 bezüglich in Dresden gewünschter Personalverhandlungen: “ich soll Leute nach Dr: engagiren? Wenn sie mich nur nicht nach W: engagiren”. Auch wenn Weber wohl keine Ambitionen hatte, seine Dresdner Anstellung zugunsten einer solchen in Wien aufzugeben, mag er den Gedanken zumindest überdacht haben. Im Brief an H. Lichtenstein vom 18. Dezember 1822 kam er beim Vergleich der Möglichkeiten in Dresden mit jenen in Berlin und Wien zu dem Urteil: “In Berlin, selbst in Wien, würde ich gewiß das doppelte arbeiten wie hier [in Dresden], und zwar mit der größten Leichtigkeit, weil freudiger Trieb und Anregung da nicht fehlen”.